Texte

In meinen künstlerischen Arbeiten setze ich mich mit Beobachtungen und Wahrnehmungen in Natur und Gesellschaft auseinander. Von besonderem Interesse sind dabei für mich konstruktive und strukturelle Gesetzmäßigkeiten in natürlichen und sozialen Zusammenhängen.

Die analytische Grundhaltung meiner Arbeit, die ich aus dem Umgang mit Malerei und Skulptur entwickelt habe, bezieht sich ebenso auf die Videofilme, bzw. Installationen.

Die Farbdrucke (Videostills) besitzen gegenüber den Videoarbeiten einen eigenständigen Charakter. Sie stellen skulpturale Bezüge her, entwickeln malerische Aspekte oder vereinen gleichermaßen malerische wie fotografische Elemente.

„Geschwindigkeit und Bildausschnitt, Tempo und Fokus vermitteln neben der Persönlichkeit des Individuums auch allgemeingültige Eindrücke sozialer Gesetzmäßigkeiten und Strukturen. Gerade in dieser, auch auf komplexere Zusammenhänge angewandten Distanz zwischen Fokussierung einerseits und Strukturalisierung andererseits stellt sich die Verbindung zu Anna Werkmeisters Lichtobjekten her, deren wesentliches Charakteristikum das Wechselspiel mit Transparenz und Undurchsichtigkeit, mit Schärfe und Unschärfe ist.“

Die Reduktion motivischer Mittel und formale Strenge verbinden die Videoarbeiten, die konstruktiven Skulpturen und die Malerei auf Leinwand oder Plexiglas.

Zitat: Ralf F. Hartmann, Leiter der Galerie Nord | Kunstverein Tiergarten, Berlin


turning points

Seit 2001 beschäftigt sich die Malerin und Bildhauerin Anna Werkmeister mit dem Medium Videofilm, das ihr jenseits der klassichen Gattungen völlig neue Handlungsfelder für ihren künstlerischen Ansatz eröffnete. In den zurückliegenden drei Jahren erarbeitete sie im mittelbaren Reflex auf ihre Bilder und Lichtobjekte sowohl eine Reihe konstruktiv aufgefaßter Natur-Videos als auch sensible Menschenbeobachtungen, die entweder auf Reisen in Deutschland oder während eines viermonatigen Stipendiums in der Schweiz entstanden. In diesen neuen Videoarbeiten, die auf den ersten Blick äußerst heterogen erscheinen, analysiert Anna Werkmeister mit konsequenter Logik die Gesetzmäßigkeiten natürlicher Lebensformen – bzw. im kulturtheoretischen Kontrast dazu – die Dynamik technischer Abläufe in konzentrierten Bildsequenzen, bei denen es ihr wie bereits in den früheren Werken immer wieder um das Konstruktive und die immanente Struktur von Formen und Sequenzen geht.

Aus der Synthese von Dokumentation und formalem Sehen sind in der folge weiterführende Arbeiten entstanden, die in fortgeschrittener Abstrahierung z.B. sich bewegende und rauschende Espenblätter im Wind, trockene hin- und herwiegende Schilfhalme im Winter oder die Organisationsstrukturen von Bienen zeigen. Seien es die Beobachtungen von Pflanzen im Wind oder die in einen Bienenstock ein- und ausfliegenden Tiere, immer sind es strukturelle Überlegungen und Akzentuierungen, die den Videoarbeiten ihre formale Strenge verleihen und sie damit so suggestiv machen. „Still in move 2“ läßt die sozialen Organisationsformen und streng aufgebauten Bewegungsrichtungen der Bienenvölker im Anflug auf den Stock nachvollziehen, während in den Naturarbeiten „still in move 1“ und in der Videoarbeit „still in move 3“ das Repetitive und Serielle in den Vordergrund treten. Neben den visuellen Strukturen und der Hingabe an das Bild, ist es immer wieder der Sound von Geräuschen und technischen Abläufen, dem sie ihre Aufmerksamkeit widmet und ihn bewußt in das Konzept der Videoarbeiten einbezieht. Auch auf der klanglichen Ebene werden die Phänomene fokussiert und weitestgehend aller umgebenden Störungen entledigt, so dass daraus eine Klangstruktur entsteht, die eine unmittelbare Verbindung zur Präsenz der Bilder herstellt.

Was die Künstlerin daraus entwickelt, ist stets die mediale Diskrepanz zwischen Bild und Struktur: bei der Videoarbeit „Wasser-Mühlenräder“ der Diskurs zwischen der repetitiven Technologie archaischer Schaufelräder und den freien Bewegungssequenzen herabfallenden Wassers als eine Inszenierung gleichermaßen poetischer wie struktureller Bilder, bei den Kurzportraits älterer Schweizer Personen dagegen derjenige zwischen epischer Lebensvielfalt und konzentrierter Situation. Solche Übertragungen formaler Aspekte auf den erzählerischen Ansatz der neuen Arbeiten, in denen der Mensch im Mittelpunkt steht, zeigt auch „spins“, eine Bewegungsstudie von sich um die eigene Achse drehenden Personen. Geschwindigkeit und Bildausschnitt, Tempo und Fokus vermitteln neben der Persönlichkeit des Individuums auch allgemeingültige Eindrücke sozialer Gesetzmäßigkeiten und Strukturen. Gerade in dieser, auch auf komplexere Zusammenhänge angewandten Distanz zwischen Fokussierung einerseits und Strukturalisierung andererseits stellt sich die Verbindung zu Anna Werkmeisters älteren Lichtobjekten her, deren wesentliches Charakteristikum das Wechselspiel mit Transparenz und Undurchsichtigkeit, mit Schärfe und Unschärfe ist.

Ralf F. Hartmann